Katrin Eder: „Kiebitze sollen durch Aufzuchtstation im Zoo Landau bessere Überlebenschancen haben“
Umweltschutzministerin Katrin Eder weiht Kiebitz-Aufzuchtstation im Zoo Landau ein
Hier werden Eier, die in der Natur kaum eine Chance haben ausgebrütet zu werden, aufgenommen und Küken bis zur Auswilderung aufgezogen. Dies soll helfen, die Wildbestände der stark vom Aussterben bedrohte Art zu stützen.
„Der Erhalt der Artenvielfalt ist ein Garant für stabile Ökosysteme. Je stabiler sie sind, desto besser können sie auf Veränderungen reagieren. Fehlen zu viele Arten, kann auch das Ökosystem aus dem Gleichgewicht geraten. In wenig lebendigen Gewässern fehlt dann beispielsweise die wichtige Filterfunktion von Tieren und Pflanzen, die das Wasser sauber halten. Fehlen zu viele Insekten, können Pflanzen weniger gut bestäubt werden. Dies wiederum führt zu weniger Erträgen bei Obst und Gemüse. Fehlen zu viele Vögel, wird weniger Samen durch ihre Ausscheidungen verbreitet. Auch wenn wir von einzelnen Arten nicht wissen, welche Rolle sie im ökologischen Gleichgewicht spielen, ist es wichtig, sie zu erhalten. Denn oft weiß man erst, wie wichtig sie sind, wenn sie fehlen. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass Arten geschützt und erhalten werden“, so Umweltschutzministerin Katrin Eder am heutigen Sonntag im Zoo Landau. Dort weihte sie eine Aufzuchtstation für Kiebitze ein. Diese ist fortan Teil des landesweiten Kiebitz-Projektes, das jährlich seit 2019 mit rund 200.000 Euro aus der Aktion Grün des Klimaschutzministeriums gefördert und von der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie (GNOR) e.V. betreut wird.
In die Aufzuchtstation des Landauer Zoos werden die Eier von verlassenen oder gefährdeten Nestern gebracht, um hier ausgebrütet zu werden. Die Küken werden im Zoo fachkundig aufgezogen, um anschließend ausgewildert zu werden. Das Ganze funktioniert so: Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GNOR beobachten regelmäßig, ob der Kiebitz an seinen bekannten Standorten und in deren Nähe ein Nest gebaut und Eier gelegt hat. Ist dieses Nest geschützt, ist alles okay. Das ist oft dann der Fall, wenn es auf einer beweideten Fläche ist. Kühe oder andere Weidetiere fungieren dann teils als Beschützer. Sie helfen zu verhindern, dass sich beispielsweise keine Füchse oder Hunde den Nestern nähern und diese zerstören oder das Elterntier längerfristig verschreckt werden. Auch wenn Landwirte ihr Einverständnis geben, dass die Nester mit einem Elektrozaun oder einem Drahtkorb geschützt werden, müssen die meist Eier nicht gerettet werden. Denn beides schützt davor, dass das Nest etwa von Fressfeinden geplündert wird. Gibt es hingegen weder tierische noch technische Beschützer, ist die Wahrscheinlichkeit zu hoch, dass die Gelege oder Küken nicht überleben werden.
Nur noch 120 Brutpaare in Rheinland-Pfalz
Die Eier werden dann in den Zoo nach Landau gebracht, wo die Eier in einem Brutapparat ausgebrütet werden. Nach drei Wochen werden die Pullis, so nennen Fachleute die flauschigen Küken, nach einen Tagen Eingewöhnung in Auswilderungsvolieren in einem geschützten Bereich ausgewildert. Das ist in der Regel eine beweidete Naturschutzfläche, in deren Nähe es schon eine Kiebitzkolonie gibt. „Vor rund 30 Jahren war der Kiebitz noch ein typischer Vogel der Agrarlandschaft und weit verbreitet. Die einzelnen Kolonien umfassten teilweise 200 Tiere. Heute haben wir in ganz Rheinland-Pfalz nur noch insgesamt 120 Brutpaare mit Kolonien, also Kiebitzgruppen, die maximal 20 Tiere umfassen. Deshalb ist jeder Pulli zum Arterhalt wichtig“, so Eder.
„Eine Aufgabe progressiver Zoos ist es, dann einzuschreiten, wenn z.B. durch Eingriffe des Menschen Tierarten in ihrem natürlichen Lebensraum so dezimiert sind, dass ihr langfristiges Überleben in der Natur gefährdet ist. Dann können wir mit unseren Kompetenzen helfen, eine Art zu erhalten. Ich hoffe jedoch, dass der Kiebitz an vielen Stellen seines natürlichen Lebensumfelds eine Chance hat und auch in vielen Jahren noch in der Natur zu sehen sein wird“, so Landaus Zoodirektor Jens-Ove Heckel.
17 Pullis stehen kurz davor, in die Natur entlassen zu werden
Kiebitz-Beauftragter der GNOR, Gerado Unger Lafourcade sagt: „Bislang haben wir seit JAHR 83 Eier in den Zoo gebracht und hoffen möglichst viele gesunde Jungvögel auswildern zu können. Dies ist wäre ein enormer Erfolg, denn auch in der Natur, würden es unter guten Umständen nur rund zehn Prozent der Tiere schaffen. Deshalb legt der Vogel auch zweimal im Jahr jeweils rund vier Eier, um für möglichst viele Nachkommen zu sorgen. Gemeinsamen mit den anderen Schutzmaßnahmen, wie den Elektrozäunen und Körben zum Schutz vor Fressfeinden, die ersten kleine Erfolge zeigen, hoffe ich, dass wir die Population zumindest stabilisieren können. Letztendlich muss sich aber in unserem Landschaftsbild etwas verändern. Der Grund, warum der Kiebitz vom Aussterben bedroht ist, ist menschengemacht. Würden etwa Wiesen zu anderen Zeitpunkten gemäht und nicht während der Brutzeit, und würden feuchte Stellen in der Agrarlandschaft erhalten, statt trockengelegt zu werden, wäre schon viel gewonnen. Denn der Bodenbrüter braucht kleine Gewässer und darin lebende Insekten zur Nahrungssuche.“
Da der Kiebitz unter strengem Artenschutz steht, wird die Eientnahme streng von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd als oberer Naturschutzbehörde überwacht. SGD-Süd-Präsident Hannes Kopf sagt: „Auch hier zeigt sich, wie der Zoo Landau gemeinsam mit der GNOR konkrete Artenschutzmaßnahmen für eine wunderschöne und bedrohte heimische Tierart durchführt.“
Im Zoo wurde für die Aufzuchtstation ein bislang nicht mehr genutzter Raum umgebaut, mit einem Brutapparat ausgestattet und um Außenvolieren erweitert. Der Teil ist für Zoo-Besucherinnen und Besucher nicht zugänglich. Denn auch hier sollen die Tiere möglichst nicht gestört werden, um sie wieder auswildern zu können. Der Zoo informiert aber über Filme und Schilder über den Vogel mit der lustigen Frisur und macht auf seine Schutzbedürfnisse aufmerksam.